"Blankenheimer Straße in Freilingen"...ein Straßenbezeichnung, die heute ebenso wie die Martinusstraße oder der Marienplatz aus dem Ortsbild und der Dorfstruktur nicht mehr wegzudenken ist. Doch das war nicht immer so, denn eigentlich hieß diese Straße früher "Op der Scheid" und bekam erst vor 50 Jahren bedingt durch die kommunale Neugliederung ihren neuen Namen, und zwar genau am 16. Mai 1972 auf einer Versammlung auf Meiershof. Im Rahmen unserer Reihe "Ein besonderes Ereignis in Freilingen..." blicken wir einmal auf diese Sitzung zurück, bei der man sich nicht mit allen neuen Straßenbezeichnungen direkt einig war...

(Skizze von Josef Riethmeister von Unterfreilingen mit der Burg und dem Großraum des heutigen Marienplatzes nach dem "Freilinger General Landtmaaß Buch de anno 1765" (GLB))

In historischen Aufzeichnungen des Herzogtums Arenberg (einzusehen im Staatsarchiv Brüssel) von 1783, also vor rund 240 Jahren ist über Freilingen (damals noch aufgeteilt in Unter- und Oberfreilingen) folgendes in Erfahrung zu bringen:  

"Freilingen hat ungefähr 40 Häuser, ziemlich schöne Pesch (Weiden, vom lateinischen pascuum für Weide) und Gärten, aber wenig Obstbäume darin und viel gute Wiesengründe. Auch sind drei herrschaftliche Höfe in dem Bezirk Freilingen, welche wenigstens 40 Morgen an Land erhalten". Das war ziemlich überschaubar.

Zur Beantwortung der Frage, wer wo in welchem Haus wohnte, bediente man sich damals der Hausnamen, die sich meistens vom Namen des Erbauers (teilweise Vornamen, teils Familiennamen, je nach der Zeit der Errichtung des Gebäudes) ableiteten (s. dazu auch den Bericht über die Freilinger Häusertaufe).

Offizielle Straßennamen im heutigen Sinne gab es damals nicht, allenfalls "Lagebezeichnungen", die sich aus Besonderheiten oder Eigenschaften der Wege, die an den Häusern vorbeiführten oder auch aus Flurnamen ergaben, was in Freilingen z.B. zu folgenden Straßenbezeichnung führte: "Düerwiß" (der heutige Auenweg), "Op der Scheid" (heutige Blankenheimer Straße) oder "Paafendell" (heutiger Brunnenweg).

Flurnamen sind Benennungen für Einzelflächen in der Ortsgemarkung, mit denen Äcker, Wiesen, Wälder, Hügel und anderes mehr benannt wurden, nicht zuletzt auch, um sie Haus- bzw. Hofeigentümer zuordnen zu können. Die Kenntnis der Flurnamen ist heute weitgehend auf ältere Mitmenschen beschränkt und droht damit verloren zu gehen. Auf die besonderen Flurnamen in der Gemarkung Freilingen soll in einem anderen Bericht einmal eingegangen werden.

Im Laufe der Zeit erhielten die Häuser im Rahmen einer flächendeckenden Hausnummerierung eine eigene Nummer. Dabei wurden die Häuser einer Ortschaft zunächst komplett durchnummeriert. Anschließend erhielten alle neuen Gebäude in der Reihenfolge ihrer Errichtung eine fortlaufende Nummer. Die Hausnummerierung war eine obrigkeitliche Maßnahme, die die staatliche Kontrolle in den Bereich der häuslichen Privatsphäre ausweitete. Die konkreten Begründungen waren unterschiedlich: Rekrutierungsmaßnahmen, Einquartierung von Militär, Bekämpfung von Bettlern, Steuer- und Versicherungsangelegenheiten. 

Die untergeordnete Bedeutung der Straßen als solcher mag vielleicht auch daran liegen, dass zum Teil kaum von einer überhaupt irgendwie gearteten Befestigung der Wegführung gesprochen werden konnte. Oftmals glich die "Straße" eher einem Fußweg oder "Trampelfpad", die zum Teil von nicht immer gut riechenden Rinnsalen verschiedenster Art und Herkunft durchzogen oder flankiert waren.

(die Martinusstraße 1942, rechts noch zu sehen die alte Schule am Marienplatz, damals Kindergarten; eine Kanalisation gab es noch nicht, die Abwässer flossen einfach links und rechts die Straße runter)

Das war in Freilingen vor der kommunalen Neugliederung noch lange so, da kein Geld für den Ausbau und die Instandsetzung der Straßen vorhanden war. 

So schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger 1959:

"Kaum zu glauben, daß es im Jahre 1959 noch eine solche Hauptstraße in einem Dorf gibt. Schmutzige Rinnsale fließen an den Seiten vom Oberdorf ins Unterdorf hinunter und nehmen Spülwasser und überlaufende Jauche auf. Ungebändigt stürzt bei Regen das Wasser über die ausgewaschene Straße. Ein Bild der Trostlosigkeit. (...) Die wichtigste Dorfstraße, die Unter- und Oberdorf miteinander verbindet, gleicht einer Versuchsstrecke für Geländewagen. An den Seiten können zwar notdürftig angelegte Rinnen erahnt werden, Staub, Steine und tiefe Querfurchen bestimmen aber das trostlose Bilde. Es ist genauso wie vor 100 Jahren (...). An Freilingens Straßen kann nicht erkannt werden, daß das 20. Jahrhundert schon 59 Jahre alt ist."

(Zum Thema Kanalisation und Straßenausbau in Freilingen s. auch folgender Bericht: Sanierung Ortsdurchfahrt)

(Alte Postkarte vom Marienplatz, um 1912)

(die Blankenheimer Straße 1966, links zu sehen Stall und Scheue der Gastwirtschaft Luppertz)

1965 wurden die Hauptstraßen Freilingens vom damaligen Kreis Schleiden übernommen und als Kreisstraßen K40 (heutige Blankenheimer Straße) und K41 (heutige Hauptortsdurchfahrt über Lommersdorfer Straße, Marienplatz, Martinusstraße und Reetzer Straße) ausgebaut. 

Mit der kommunalen Neugliederung 1969 sollten in der jungen Gemeinde Blankenheim dann offiziell neue Straßennamen eigeführt werden. Allerdings war man in Freilingen mit der amtseits geforderten Vorschlagsliste hinsichtlich der Benennung der Ortswege spät dran und musste daher nochmals an diese Entscheidung erinnert werden. 

In einem Schreiben des damaligen Gemeindedirektors Peter Reger vom 29.03.1972 hieße es:

"Neue Straßenbezeichnungen wurden inzwischen in den Orten Blankenheim, Blankenheimerdorf, Lommersdorf und Ripsdorf vorgenommen. Die bisherigen Straßenbezeichnungen von Dollendorf wurden dabei berücksichtigt. Ich bitte Sie, auch für Ihren Ortsteil Straßenbezeichnungen in Verbindung mit ortskundigen Bürgern bzw. dem Vereinskartell in Vorschlag zu bringen. Beachten Sie bitte dabei, daß innerhalb des Gemeindegebiets ein Straßenname nicht zweimal vorkommen darf."

Am 16. Mai 1972 setzte man sich dann auch in Freilingen endlich zusammen. Auf Einladung des Ortsvorstehers Leo Mungen versammelten sich im Gasthaus Meiershof die Mitglieder des letzten Rates der selbstständigen Gemeinde Freilingen sowie die Vorstände der einzelnen Ortsvereine, um über die neuen Straßennamen in Freilingen zu diskutieren und abzustimmen. 

Folgende Straßennamen wurden festgelegt 

Alter Bach, vorher Nippes

AmSchießberg, früher Schessberech,

Auenweg, vorher Düerwiß

Blankenheimer Straße, vorher Op der Scheid

Brunnenweg, vorher Paafendell

Falterweg,  früher Am Katzewejer

Industriestraße, vorher Falter und teilweise Paafendell

LommersdorferStraße, früher Jeädche

Marienplatz, hieß vorher Am Komp

Martinusstraße, einfach vorher EtDorferop

Mittelstraße, war vorher Schullwäch)

Reetzer Straße, vorher DeJass

Rotländer, früher Ruetlänner: Der Name steht im Zusammenhang mit einer früheren Rodung (ahd. radha, von ruitjan = urbar machen, mhd. roten)

Seestraße, vorher Stenkel: 

Steinstraße, (Kommejass)

 

Und wie kam es zu den neuen Bezeichnungen?

Alter Bach war eher eine Verlegenheitslösung. Eigentlich wollte man die alte Bezeichnung "Nippes" übernehmen. Da man aber wie gesagt spät dran war mit der Namensfindung, waren die Lommersdorfer insofern schneller gewesen und hatten einer ihrer Straßen bereits Nippes benannt, weshalb die Übernahme der alten Bezeichnung leider ausschied und man sich mit "Alter Bach" behelfen musste.

Auch Auenweg und Brunnenweg hat man sich mehr oder weniger notgedrungen ausgedacht.

Mittelstraße ergab sich von der Lage her, obwohl der "Mittelweg" seit alter Zeit der Weg vom Hagelkreuz „Am Zollstock“ bis "Boxdell" ist und daher in ähnlicher Weise zumindest in der Gemarkung schon vorkam.

Bei der Lommersdorfer, Reetzer und Blankenheimer Straße übernahm man letztlich die Ziele der Ausfallstraßen. Allerdings gab es bei der Bezeichnung Blankenheimer Straße einige heftige Diskussionen. 

Von den anderen Dörfern, die fast alle vor Freilingen ihre Straßen "getauft" hatten, war wohl niemand gewillt gewesen, eine Blankenheimer Straße in ihrem Ort zu benennen, was sich eigentlich vor allem für Blankenheimerdorf angeboten hätte, da der Ort am nächsten zum Kernort der Gemeinde gelegen ist.

Aus welchen Gründen auch immer konnte sich auch in Freilingen die Mehrheit zunächst nicht dafür begeistern, die Straße, die bis dahin einfach "Op der Scheid" hieß, nach dem Quellort der Ahr zu benennen.

Aber für „An der" oder „Auf der Scheide" wollte bzw. konnte sich das Gremium auch nicht einigen. Alfred Riethmeister als Anwohner an besagter Straße konnte dann letztlich doch mit seinem Vorschlag "Blankenheimer Straße" eine Mehrheit gewinnen.

Bei der Kommejass setzte sich der Anwohner Leo Mungen mit Steinstraße durch mit Blick auf die Flurbezeichnung „Am Stein".

Auch Rotländer und Am Schießberg entspringen der dortigen Flurnamen, wobei Schießberg ehemals sogar ein Eigenname gewesen sein könnte. Denn das Verzeichnis von 1783 führt unter der Hausnummer 40 als Eigentümer Nicolas Schiesberg auf.

Marienplatz und Martinusstraße wurden zu Ehren der Madonnenfigur und des Kirchenpatrons der Kapelle auf Vorschlag von Albert Luppertz ausgewählt.

Der von jeher unbeliebte Straßenname "Stinkel" wurde zur Seestraße. Erwähnt sei an dieser Stelle einmal, dass die ursprüngliche Bezeichnung nichts mit einem besonders hohen Geruchsaufkommen in diesem Bereich zu tun hat. Vielmehr stammt die alte Wegebezeichnung ursprünglich von einer Familie gleichen Namens. So ist im Sterbebuch der Pfarre Lommersdorf unter dem 4. Juni 1687 der Sterbeeintrag des Stinkeis Joannes ex frelingen und am 10. Oktober 1704 der Todestag des "Theodorus stinckels ex frelingen" vermerkt.

Wegen der neu angesiedelten Industriebetriebe erhielt die heutige Industriestraße ihren Namen. 

Die Vorschläge aus Freilingen für die neuen Straßenbezeichnungen wurden in der Verwaltung in Blankenheim ohne Änderung übernommen und vom Rat bestätigt. 

Erst einige Zeit später fiel allerdings auf, dass bei der eigentlichen Straßennummerierung rund um den Marienplatz nicht nach den Freilinger Vorstellungen vom Übergang der Straßenbezeichnungen vorgegangen worden war. So schrieb dann auch Albert Luppertz in seiner Funktion als Vereinskartellsvorsitzender an die Verwaltung der Gemeinde Blankenheim im Dezember 1978: "

"Unsere Kirche bildet mit den umstehenden Häusern seit altersher den Kern des früheren Unterfreilingen. Dazu gehört auch das wohl älteste noch erhaltene Schulhaus aus der Zeit um 1750 in unserer Gemeinde, dessen Eingang einwandfrei zum Marienplatz hinausgeht. Es erhielt jedoch die Haus-Nr. 2 in der Martinusstraße. Ebenso erging es Frau Reinhardt".

Während das historische Gebäude am Marienplatz seine Adresse, Martinusstraße 2 behielt, bekam das ehemals von Frau Reinhardt bewohnte Haus Nr. 1 in der Martinusstraße aufgrund der Beschwerde aus Freilingen tatsächlich eine andere Zuordnung und wurde fortan als Marienplatz 7 geführt.

Das hatte allerdings zur Folge, dass es dann keine Martinusstraße Nr. 1 mehr gab. Daher ist man einfach offiziell hingegangen und hat aus der ehemals Nummer 3 eine Nummer 1 bis 3 gemacht, da es offenbar weniger auffallen würde, wenn ein Haus gleich zwei Hausnummern halt als dass in einer Straße die Nummer 1 gänzlich fehlen würde. Und daher folgt heute noch auf das erste Haus in der Martinusstraße das Haus mit der Nummer 5. 

Im Laufe der Jahre kamen dann noch drei weitere Straßenbezeichnungen hinzu.

1988 beschloss das Vereinskartell auf Anfrage der Verwaltung, dass die Verbindungstraße zwischen Steinstraße und Rotländer den Namen Kreisgasse (nach dem Hausnamen Kreis) erhält.

1991 wurden ebenfalls auf Anfrage der Gemeindeverwaltung Blankenheim zwei weitere neue Straßen bzw. Wegführungen im Dorf benannt. So wählte man für das kurze Wegstück zwischen Martinusstraße und Steinstraße die Bezeichnung "Zum Meiershof", passend zur alten, historischen Gaststätte. Die Verbindung zwischen Lommersdorfer Straße und Mittelstraße bekam den Straßennamen Lammerswiese, was dem Flurnamen entspricht. 

(Quelle: Dorfchronik von Albert Luppertz)

Wer noch mehr über die alten Straßen- und Hausnamen in Freilingen erfahren möchte, kann dies gerne in der Freilinger Chronik nachlesen, die im Archiv eingestellt ist und dort heruntergeladen werden kann. 

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