Schade, schade ! - Auch 2021 muss die Freilinger Kirmes leider coronabedingt ausfallen...bis auf das Gedenken am Ehrenmal. Zur Erinnerung an die gefallenen und vermissten Soldaten unseres Dorfes aus den beiden Weltkriegen wurden am Samstag, 1. Mai frische Blumen mit einer Gedenkschleife an der Kapelle "niedergelegt". Auf alles andere müssen wir dagegen auch diesmal wieder verzichten, vor allem auf die in Freilingen so beliebte Häusertaufe. Dabei hätten wir aufgrund der zahlreichen Eigentumswechsel im Ort und einiger Neubauten mehrere Kandidaten für die Häusertaufe gehabt. Aber woher kommt überhaupt der Brauch, einem Haus einen bestimmten Namen zu geben? Hier ein kurzer Blick auf diese wunderbare Kirmestradition.
(Gedenken am Ehrenmal 2021: ein stiller Blumengruß)
Auch 2021 bleibt uns auf der Kirmes nichts als ein stiller Blumengruß am Ehrenmal zum Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege. Kein Knochenausgraben beim Kirmesumzug, kein Tanz im Saal Meiershof und auch kein Hahneköppen und Häusertaufen...
Gerade die Häusertaufe ist eine der beliebtesten Kirmesveranstaltungen und hätte auch in diesem Jahr sicherlich wieder Dutzende Freilinger zusammen gebracht. Schade! So bleibt auch hier nur die Erinnerung an alte Umzüge und das Hoffen auf 2022.
Aber woher kommt überhaupt die Tradition, neu errichteten oder umgebauten und neu bezogenen alten Häusern einen speziellen Namen zu geben? Das greift lange zurück...
Der Hausname ist eine der wichtigsten Wurzeln, aus denen sich die im ausgehenden Mittelalter umgreifende "Zweinamigkeit" von Bürgern bedient, sowohl in Städten als auch auf dem Land. Sie entstanden, als es noch keine Hausnummern und Straßenschilder gab und waren die einzige Möglichkeit, ein Anwesen eindeutig zu kennzeichnen.
Für den Landesherrn und dessen Verwaltung war es nämlich wichtig, die einzelnen Wohnstätten der Untertanen namentlich zu kennzeichnen, damit sie zu Abgaben und Fronden herangezogen werden konnten. Wohnte ein Untertan z. B. bei einem Born, so hielt ihn der Steuereinnehmer in seinen Unterlagen z. B. als Johann beim Born fest, einen anderen der am Berg wohnte als Heinrich am Berg. Daraus wurden z. B. die Familiennamen: Beimborn, Amberger
In nahezu allen ländlichen Regionen war es daher jahrhundertelang gang und gebe, dass jedes Haus einen eigenen Namen hatte, der auch bei einem Wechsel des Hausbesitzers Bestand hatte und damit über Generationen unabhängig vom Familiennamen der Bewohner erhalten blieb, ähnlich wie die Flurnamen.
Ein Hausname war ein Beiname (Genanntname), quasi ein zweiter Familienname in örtlichem Dialekt, der nur mündlich gebraucht und weitergegeben wurde und mit dem alle dort ansässigen Bewohner belegt wurden. Bei der Benennung einer Person wurde der Hausname stets dem Rufnamen vorangestellt z. B. „Ännches Schorch“ (Hausname Ännches).
Dieser über Jahrzehnte bestehende Hausname leitete sich unterschiedlich ab. Die Hausnamen, die vom eigentlichen Familiennamen des Erbauers abgeleitet sind, stammen aus jüngerer Zeit, etwa aus der Zeit seit dem 17. Jahrhundert.
Älter sind wohl die Häuser, deren Namen auf Vornamen des Erstbesitzers zurückgehen, also aus einer Zeit stammen, als es noch keine Zu- bzw. Familiennamen gab, wobei auch oft auf die Kurzform des Vornamens bzw. dessen Ableitungen und Verschleifungen im örtlichen Dialekt zurückgegriffen wurde, z.B. Peter → Pirrer → Pirrersch → Pirrerches. Der beliebteste Vorname bei Männern war ehemals Johannes (Johann), bei Frauen Elisabeth und dessen Varianten im Dialekt.
Oft wurde auch der ausgeübte Beruf oder ein Handwerk des Erbauers zum Hausnamen, so z. B. Müller → Mellersch, Bäcker → Beckersch; Schreiner → Schreinesch oder Schrengesch; Koch → Kochs; Schmied → Schmidde oder Schmedde.
Vielfach wurde aber ganz einfach auch die besondere Lage des Hauses oder der Flurname zur Namensbestimmung herangezogen, wie Backes, Fältches, Hoff, Jade, Järtches, Jassen, Nöschesch, Peisch.
Baute jemand aus dem Dorf ein eigenes neues Haus/Anwesen im Dorf, so nahm meist die Frau den Hausnamen mit, der dann mit Attributen (in Dialekt) vor dem alten Namen versehen wurde wie: alt, neu, oben, unten, hinten, vorne, je nach Lage des neuen Anwesens zum Stammhaus, z. B. „onne Elwerts“, „owe Schreinesch“, „henne Handes“, oder „ahle Gehanns“, wenn das Stammhaus gemeint ist.
Eine Besonderheit in Freilingen sind die 7 Häuser um die Kirche, deren Hausnamen allesamt auf weibliche Vornamen zurückgeführt werden können.
(links das Haus Eve, links neben der Kapelle das alte Haus Kläre, rechts neben der Kapelle das Haus Ännches)
Marienplatz Nr. 3: Eve = Eva
Marienplatz Nr. 5: Mähr= Maria
Martinusstraße (abgerissen) Uschele = Ursula (früher Jasse/Giefer)
Martinusstraße (abgerissen) Kläre = Klara (früher Schwarz)
Lommersdorfer Str. 1 Ännches = Anna
Lommersdorfer Str. 3 Zeye = Caecilia
Lommersdorfer Str. 7 Jürdrögge = Gertrud
Es wird erzählt, dass einer der adeligen Burgbesitzer von Freilingen 7 Töchter mit den erwähnten Namen gehabt habe, jeder habe er in der Nähe der Burg ein Haus gebaut, das dann den Namen der Erbin bekommen habe. Darüber ist aber geschichtlich nichts nachweisbar.
Die Deutung ist aber auch unwahrscheinlich. Denn die Edelleute werden ihren adeligen Töchtern ein anderes Erbgeschenk mitgegeben haben als ein einfaches Bauernhaus. Wenn sie heirateten, haben die Töchter der Adeligen immer nur standesgemäß heiraten können, also einen Adeligen, oder sie gingen in ein adeliges Damenstift als Klosterfrau. Wenn etwas an der Sage dran ist, handelt es sich höchstens um verdiente Untergebene, die auf diese Weise belohnt wurden. Jedenfalls aber gehören sie zu den ältesten Häusern von Freilingen.
(Quelle: Freilinger Chronik von Albert Luppertz; darin sind alle Hausnamen bis 2002 aufgeführt)
In Deutschland sind in nahezu allen ländlichen Regionen die traditionellen Hausnamen noch in Gebrauch, besonders in den älteren Ortsteilen. Die Bewohner eines Anwesens werden dort umgangssprachlich nicht mit ihrem Familiennamen bezeichnet, sondern mit ihrem Hausnamen, der dem Vornamen jeweils vorangestellt wir.
In letzter Zeit wird diese Tradition dadurch in besonderer Weise gepflegt, dass an die alten Häuser besondere Namensschilder mit den alten Hausnamen angebracht werden, wie 2020 auch bei einer tollen Aktion in Mühlheim.
(2020 wurden in Mühlheim über 50 Tafeln an historischen Bauten angebracht, auf denen die alten Hausnamen und mehr vermerkt sind)
Neubauten (oder oft auch Umbauten und Neubezüge älterer Häuser) erhielten traditionell auf der Kirmes ihren eigenen Namen. So auch in Freilingen.
Bei der Namensfindung war man dabei in den letzten Jahren sehr kreativ.
Man hat in der Regel nicht einfach auf den Familiennamen zurückgegriffen, sondern ist auf Besonderheiten und Namenswünsche der Bewohner eingegangen, z. B. Beim Milchtrucker, Haus Seeblick, Auf dem Fels, Villa Dibbelabbes, Casa del sole oder Am Katzenweiher.
So erhielt das Haus von Jakob Peetz nach dem Umbau von Franz-Josef Berners, in der Martinusstraße Nr. 23 den schönen Namen „Fluppe“ zum Beweis, dass der Hausbau so gut geklappt hat.
Manchmal wird aber auch auf historische Bezeichnungen zurückgegriffen, z.B. Öweschbeije, Neu Schmedde, Kettges Arche, Krusinqsiaade oder Neu Bu-esch.
Seit 1980 werden bei der Häusertaufe auf der Kirmes vom Junggesellenverein "Taufurkunden" ausgestellt, die den Hauseigentümern feierlich übergeben werden.
2006 ist die traditionelle Häusertaufe am Kirmesdienstag "reformiert" worden und wurde mit dem "Hahneköppen" zusammen auf den Montag gelegt. Das war nötig geworden, weil die Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Kirmestradition bei vielen Neueigentümern gesunken war. Einige Häusertaufen hatten zum Teil das Ausmaß einer separaten Kleinkirmes angenommen und schreckten viele in finanzieller Hinsicht ab.
Daher hatte sich das Vereinskartell überlegt, die Häusertaufe zukünftig so zu gestalten, dass die Kirmesaktion erschwinglich blieb, aber dennoch die alte Tradition fortgeführt würde.
(Umzug Häusertaufe in der Freilinger Mühle 2016)
Seitdem werden zwar die Anwesen in gewohnter Weise vom Junggesellenverein getauft, ohne dass allerding an den Häusern ein größerer Ausschank oder gar wie vorher oft geschehen mit einer Beköstigung erfolgt.
(Häusertaufe der Familie Jüngling 2016)
Die Umzugsteilnehmer werden vielmehr vom Verein mit Getränken versorgt, während die Täuflinge einen Spendenbetrag zur Verfügung stellen, der nach dem Umzug in der Gaststätte Meiershof im Rahmen der Kirmesabschlussveranstaltung in Freigetränke für alle umgewandelt wird. Ein System, das viel Anklang gefunden hat und sich in der Vergangenheit bewährt hat, da dies gleichzeitig dem Montagabendball Aufschwung gebracht hat.
("Kirmesabschlussveranstaltung) Kirmesmontag 2016)
Leider konnte im vergangenen Jahr und kann auch 2021 wieder die Häusertaufe nicht stattfinden, obschon sich inzwischen einige "Täuflinge" angesammelt haben. Es bleibt aber zu hoffen, dass wir im nächsten Jahr diese alte Tradition wieder durchführen können und damit der Brauch der Häusernamen auch in Freilingen erhalten bleibt, wenn auch in moderner Form.