In seiner Sitzung am Donnerstag, 16. März erklärte der Gemeinderat bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bürgerbegehrens einstimmig als unzulässig. Damit würde eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung des angestrebten Bürgerentscheides fehlen und das weitere Verfahren gestoppt. Grund sind verschiedene Mängel, die eine Fachkanzlei bei der Prüfung des Bürgerbegehrens festgestellt hat. Gegen diesen Ratsbeschluss will die Bürgerinitiative vor dem Verwaltungsgericht vorgehen. 

 

Großer Zuschauerandrang in den Besucherreihen herrschte am Donnerstag, 16. März in der Aula der Gesamtschule Eifel bei der Sitzung des Gemeinderates.

Anlass für die über 40 Zuschauer, sich in die Sitzung zu begeben, war ToP 3 auf der Tagesordnung, der die Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens behandelte und den Beschlussvorschlag enthielt, das Bürgerbegehren „Keine weiteren Ferienanlagen auf Grundstücken der Gemeinde im Wald am Freilinger See“ für unzulässig zu erklären. 

Der Grund, weshalb das Gesetz eine solche formelle Zulässigkeitsprüfung vorsieht, ist folgender: 

Die letztlich angestrebte Entscheidung der Bürger betrifft eine Angelegenheit, in der der gewählte Rat zu entscheiden hat und damit in den Zuständigkeitsbereich und die Entscheidungshoheit des Kommunalparlamentes eingreift. Für diese vom Gesetzgeber ausnahmsweise den Bürgern zugestandene Entscheidungsbefugnis setzt die Gemeindeordnung ein zweistufiges formelles Verfahren voraus, dessen einzelne Voraussetzungen umfassend in § 26 GO geregelt sind.

Die erste Stufe dieses Verfahrens ist das sog. Bürgerbegehren. Das Bürgerbegehren ist ein Antrag der Bürger an den Rat, dass die Bürger anstelle des Rates über eine bestimmte Angelegenheit der Gemeinde entscheiden.

Die zweite Stufe ist dann der sog. Bürgerentscheid. Der Bürgerentscheid ist die eigentliche Abstimmung über eben diese Sachfrage. Der erfolgreiche Bürgerentscheid hat letztlich die Wirkung eines Ratsbeschlusses, er ersetzt diesen. Nicht zuletzt wegen dieser Bedeutung sind die klaren gesetzlichen Vorgaben eindeutig einzuhalten.

Nach § 26 Abs. 6 GO muss der Rat über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden. Dazu müssen bestimmte formelle Voraussetzungen vorliegen, u.a. eine zulässige Fragestellung samt einer Begründung sowie das Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Unterschriften.

Da die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens eine wesentliche Voraussetzung für die anschließende Durchführung eines Bürgerentscheides ist, besteht für die Initiatoren die Möglichkeit, auf Antrag bereits im Vorfeld einer aufwendigen Unterschriftensammlung eine eingeschränkte Zulässigkeitsprüfung durch den Rat durchführen zu lassen, welche auch als „Vorprüfung“ bezeichnet wird.

Im Gegensatz zum „vollen“ Antrag entfällt bei der Vorprüfung die Notwendigkeit der Beibringung einer Unterschriftenliste mit dem (hohen) Quorum nach § 26 Abs.4 GO NRW; es genügt der Nachweis der geringeren Anzahl von 25 Unterstützern.

Das hat den Vorteil, dass man eventuelle Rechtsunsicherheiten bezüglich der gesetzlichen Anforderungen an die Fragestellung bzw. Begründung geklärt hat, bevor man die erforderlichen Unterschriften sammelt. Damit umgeht man das Risiko, trotz vorgelegter langer Unterschriftenliste letzlich an anderen Zulässigkeitsvoraussetzung zu scheitern. 

Von dieser Alternative war trotz Hinweises vorliegend laut Aussage der Bürgerinitiative deshalb kein Gebrauch gemacht worden, um durch eine rasche, umfassende Unterschriftenaktion und dem erhofften großen Bürgervotum dem Verfahren von vornherein eine besondere Bedeutung zu verschaffen. 

Ohne eine Vorprüfung wurden 1.596 Unterschriften gesammelt, von denen 1.528 von der Verwaltung als zulässig anerkannt wurden und das erforderliche Quorum von 699 daher noch übertroffen war.

Der Rat musste jetzt allerdings noch über die Frage, ob auch alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bürgerbegehrens als erfüllt angesehen werden können, entscheiden. Er ist hinsichtlich der Feststellung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit auf eine ausschließliche Rechtmäßigkeitskontrolle ohne Beurteilungs- und Ermessenspielraum beschränkt. Insbesondere hat die Beschlussfassung von politischen Zweckmäßigkeitserwägungen frei zu bleiben. 

Somit könnte der Rat, auch wenn noch mehr Unterschriften gesammelt worden wären, nicht allein aufgrund des Meinungsbildes in der Bevölkerung entscheiden, das Verfahren durchzuwinken und einen Bürgerentscheid zuzulassen.

Ergibt die Prüfung, dass das Begehren nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist die Zulässigkeit abzulehnen. 

Da die Frage der Zulässigkeit eine komplexe juristische Prüfung bzw. Entscheidung ist, die sich Rat und Verwaltung nicht rechtssicher zu treffen in der Lage sahen, andererseits aber eine wesentliche Entscheidung im Raum stand, wurde eine Fachkanzlei eingeschaltet, die die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gutachterlich prüfen sollte.

Diese kam nach umfassender Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei.

So wurde ausgeführt, dass die zur Entscheidung zu bringende Frage und deren Begründung „in wesentlichen Punkten nicht falsch, unvollständig oder irreführend“ sein dürfe, um einer Verfälschung des Bürgerwillens vorzubeugen.

Im Einzelnen wurde dabei im Gutachten zum einen ein Verstoß gegen das sog. Kongruenzgebot festgestellt. So decke sich der Titel des Bürgerbegehrens „Keine weiteren Ferienanlagen auf Grundstücken der Gemeinde am Freilinger See“ nicht mit der Begründung, in der die Unterzeichner gefragt werden, ob sie dagegen sind, „dass die Gemeinde der Fa. Neugrad Immobilien GmbH die notwendigen Flächen zur Errichtung einer weiteren Ferienanlage im Waldgebiet nordöstlich des Freilinger Sees, des Freilinger Bruchs, zur Verfügung stellt“.

Es werde durch dieses „Ungleichgewicht in den Inhalten“ suggeriert, dass mit dem Begehren dauerhaft der Bau von Ferienhäusern verhindert werden könne. Außerdem würde in der Begründung auf die Bezeichnung genauer Grundstücksparzellen verzichtet, was gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoße: Es werde lediglich vom „Wald am Freilinger See“ gesprochen, wo es tatsächlich nur um ein genau beschreibbares Teilgebiet gehe.

Zudem wird den Initiatoren eine „unzutreffende Darstellung von Tatsachen“ vorgeworfen bezüglich einer drohenden Flächenversiegelung, der Beeinträchtigung des Waldes als Wasserspeicher und des drohenden Verkehrsaufkommens und der zusätzlichen Belastung für die Anwohner. Gerade letzteres wird von der Verwaltung bezweifelt, da der Betrieb von 20 Tiny-Häusern das Verkehrsaufkommen nicht unzumutbar erhöhen würde. 

Rechtsanwalt Béla Gehrken, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und spezialisiert auf Kommunalrecht von der Kanzlei Lenz und Johlen, war eigens in die Sitzung eingeladen worden, um die Ergebnisse aus dem von ihm erstellten  Gutachten noch einmal darzulegen und zu erläutern.  Er betonte dabei, dass die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Zulässigkeitsprüfung stelle, gerade weil am Ende des Verfahrens der Bürgerentscheid an die Stelle des Ratsbeschlusses treten würde.

Zuvor hatte man dem Sprecher der Initiative, Dirk Schumacher ein Rederecht eingeräumt, um noch einmal Stellung beziehen zu können. Er führte aus, dass er entsetzt sei über die seiner Meinung nach fehlerhafte Beschlussvorlage und das Verhalten des Rates, der als Vertreter der Bürger einfach 20 % der Bürger ignoriere. 

Der Rat sah seinerseits nach der umfassenden Erläuterungen des Fachanwaltes keinerlei Diskussionsbedarf oder Anlass für eine eigene Stellungnahme, was auf ziemlichen Unmut in den Reihen der Bürgerinitiative führte. Die Zulässikeit wurde erwartungsgemäß einstimmig abgelehnt.

Abgewiesen wurde in der Ratssitzung zudem auch eine Eingabe von Vertretern der Bürgerinitiative nach § 24 GO. Dieser räumt Einwohnern der Gemeinde das Recht ein, sich mit Anregungen und Beschwerden an den Rat zu wenden. Mit diesem Schreiben hatte man den Rat darum gebeten, den Bebauungsplan Nr. 7 D aufzugeben und das Gebiet vielmehr als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Dem will der Rat nicht nachkommen. 

Die Bürgerinitiative hatte nach der Veröffentlichung der Tagesordnung und des Beschlussvorschlages bereits im Vorfeld kurzfristig reagiert und beim Verwaltungsgericht in Aachen in einem Eilverfahren einstweiligen Rechtsschutz beantragt, um vorbeugend einen ablehnenden Beschluss zu verhindern. 

Darüber war zu Beginn der Ratssitzung noch nicht entschieden worden, weil nach Aussage von Rechtsanwalt Gehrken seitens des Gerichts kein Eilbedürfnis gesehen worden sei. Eine abschließende Entscheidung in diesem Verfahren soll in der nächsten Woche fallen. 

Die Bürgerinitiative hat bereits kurz nach dem Ratsbeschluss angekündigt, gegen die nun gefasste ablehnende Entscheidung des Rates die möglichen Rechtsmittel auszuschöpfen, so dass das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen scheint.   

Das ist nicht das erste Mal, dass eine Zulässigkeitsprüfung des Rates im Rahmen eines Bürgerbegehrens vor dem Verwaltungsgericht landet. Bereits beim angestrebten Bürgerentscheid über den auch im Rat umstrittenen Umbau des Konsum zu einem Rathaus im Jahr 2019 war das Bürgerbegehren ebenfalls an formellen Kriterien gescheitert. Daraufhin hatten drei Vertreter der CDU Klage gegen den ablehnenden Ratsbeschluss erhoben. Diese Klage wurde vom Verwaltungsgericht Aachen letztlich abgewiesen. 

(weitere Informationen zum Thema: Projekt Neugrad)

 

 

 

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