Eigentlich sollten die Sanierungsarbeiten an der Ortsdurchfahrt in Freilingen, der K 41, im Frühjahr 2015 und damit in diesen Wochen starten. Geplant war, zunächst die notwendige offene Kanalsanierung vorzunehmen und dann im Anschluss in zwei Teilabschnitten die Straßendecke zu sanieren. Dabei sollte dann auch der Verkehrsbereich vor der Kapelle, der Marienplatz, völlig neu gestaltet werden. Doch die Planungen bzw. deren Ausführung muss jetzt erst einmal zurückgestellt werden, da bei der nochmaligen Befahrung und Sichtung des Kanals in der Ortsdurchfahrt ein seltenes Tiervorkommen entdeckt wurden, und zwar ein Vertreter der äußerst seltenen Art "Proteus anguinus", gemeinhin auch als Grottenolm oder Grottenmolch bekannt.
(Proteus anguinus- Grottenolm bzw. Grottenmolch)
Bereits einige andere geplante regional bzw. überregional bedeutsame Großprojekte in der Gemeinde Blankenheim wurden bisher durch das Auftreten seltener Tiervorkommen erschwert.
So verzögerte sich der Weiterbau der A1, der sog. Lückenschluss, in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch den spektakulären Fund eines toten Haselhuhns 2004 im Lommersdorfer Wald im geplanten Trassenbereich der A1 und den danach geäußerten Vermutungen eines größeren Haselhuhnvorkommens im Gebiet des Dorseler Waldes. Da diese Tierart sich damit offenbar über die Landesgrenzen hinweg bewegte, wurden sowohl auf nordrhein-westfälischer als auch rheinland-pfälzischer Seite die weiteren Planungen wesentlich erschwert und verzögert.
Und erst in jüngster Vergangenheit erwies sich die Suche nach einer tatsächlich nutzbaren Windpotenzialfläche in der Gemeinde Blankenheim als ausgesprochen schwierig, weil sich allerorts Schwarzstorchvorkommen zeigten, u.a. auf der Straßenbeleuchtung in Rohr. Falls in den ins Auge gefassten Standorten für Windkraftanlagen eine tatsächlich genutzte Brutstätte gefunden würde, würde dies das Aus für das Thema Windkraft in der Gemeinde bedeuten, da solche Horste grundsätzlich k.O.-Kriterien für weitere Planungen sind.
Damit nicht genug...nun scheinen auch noch die Kanal-und Straßensanierungsarbeiten in Freilingen mit einem geschätzten Kostenrahmen von rund 1,7 Mio € in Gefahr. Auf Nachfrage schilderte Andreas Bornhold vom Kreis Euskirchen, Geschäftsbereich IV, Abt. 66 und als Bautechniker zuständig für die Bauüberwachung der geplanten Maßnahme, folgenden Sachverhalt:
Bei nochmaliger Sichtung der Hauptkanals in der Ortsdurchfahrt im Hinblick auf das immer noch gegebene Fremdwasserproblem im Einzugsbereich der Freilinger Kläranlage sei die von der Gemeinde Blankenheim beauftragte Firma vor einigen Tagen zufällig auf ein Exemplar des seltenen und ausgesprochen scheuen Grottenmolchs gestoßen. Dies wurde umgehend gemeldet und an die zuständige Untere Landschaftsbehörde des Kreises weitergeleitet, da bei geschützten Tierarten eine Meldepflicht bestehe.
Dazu Dr. Hartmut Klein von der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises und zuständig für den Artenschutz: "Normalerweise lebt der Grottenolm ausschließlich im dinarischen Karst, im Kalkgebirge östlich der Adria wo sich das Wasser kilometerweit in den weichen Kalkstein gefressen und riesige Höhlen geschaffen hat. Die Verbreitung reicht dabei vom äußersten Nordostens Italiens über Slowenien nach Kroatien.
(Verbreitungsgebiet Grottenolm:nord-östliche Adria)
Da die streng geschützte Art erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit genießt und neu gemeldete Vorkommen meist unmittelbar intensiv überprüft werden, gilt die Entdeckung völlig neuer Vorkommen der Art als unwahrscheinlich und ausgesprochen sensationell."
Seit langer Zeit gibt es Versuche, Grottenolme auch außerhalb ihres natürlichen Areals in Höhlen neu anzusiedeln. Meist kam es dabei aber nicht zur Fortpflanzung. In Deutschland ist die Hermannshöhle im Harz (Sachsen-Anhalt) bekannt für ihre Grottenolme. Insgesamt 18 aus Istrien stammende Exemplare wurden dort in den Jahren 1932 (5 Stück) und 1956 (13 Stück) zu Schauzwecken in einem künstlichen Höhlengewässer („Olmensee“) ausgesetzt, das eine Tiefe von rund 80 Zentimetern und eine permanente Wassertemperatur von 7 °C aufweist.
(Hermannshöhle im Harz)
Im Jahr 1978 wurde dort sogar extra ein besonderes Zuchtbecken gebaut. Allerdings stellte man später leider auch fest, dass es sich bei den auffindbaren Olmen ausschließlich um Männchen gehandelt hatte, so das zwangsläufig eine Vermehrung ausgeblieben war. Über den aktuellen Bestand liegen zwar keine Informationen vor, die Grottenolme der Hermannshöhle sind aber immer noch eine absolute Touristenattraktion.
Der sensationelle Fund in Freilingen wäre damit das zweite Vorkommen des Grottenmolchs in Deutschland. Wie das Tier oder die Tiere, falls es mehrere sein sollten, in die Freilinger Kanalisation gelangten, können die Experten zur Zeit noch nicht abschließend sagen. Die Untersuchung der unterirdischen Fundstätte, die weiträumig gegen neugierige Beobachter abgesperrt wurde, gestaltet sich aufgrund des aktuellen schlechten Zustandes des Kanals als schwierig. Eine Erklärung für die plötzliche Ansiedlung dieser seltenen Tierart ausgerechnet in der Freilinger "Unterwelt" könnte sein, dass ein Exemplar hier bewusst ausgesetzt worden ist. Woher es stammen könnte, aus Kroatien, Sachsen-Anhalt oder Slowenien, ist noch völlig offen.
"Am wahrscheinlichsten erscheint es, dass das Exemplar von wem auch immer aus dem italienischen Verbreitungsgebiet des Grottenmolchs mitgebracht wurde, da in Freilingen offenbar rege Kontakte und verwandtschaftliche Beziehungen nach Italien bestehen. So viel haben unsere Recherchen schon ergeben. Jedenfalls fühlt sich das Tier offenbar in den besonderen klimatischen Bedingungen des Freilinger Kanalnetzes sehr wohl.
(Einblick in die Freilinger Kanalisation)
Denn zum Vorzugshabitat der Art gehören nach Expertenmeinung Bereiche mit einströmendem Oberflächenwasser, weil hier das Nahrungsangebot wesentlich besser ist," so der Vertreter der Unteren Landschaftsbehörde. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Kanalsichtung im letzten Jahr und den Aussagen des Leiters der gemeindlichen Abwasserwerks, dass in Freilingen immer noch ein ungeklärter gleichmäßiger Zulauf von Oberflächenwasser zu verzeichnen ist.
Im Rathaus löste die Nachricht von dem sensationellen Fund nach ersten negativen Reaktionen wegen der nunmehr verzögerten Sanierungsmaßnahmen inzwischen ausgesprochen freudige Stimmung aus. Denn ebenso wie die Population in der Hermannshöhle in Sachsen-Anhalt könnte sich die Entdeckung in Freilingen in nächster Zeit ebenfalls zu einem Touristenmagneten entwickeln und damit völlig neue, ungeahnte touristische Entwicklungsmöglichkeiten für die hiesige Region bedeuten.
"Wir arbeiten schon an einem entsprechenden Vermarktungskonzept. Vielleicht gelingt es uns sogar, über verschiedene Fördertöpfe noch öffentliche Fördermittel zu generieren, mit denen die touristische Vermarktung dieser Attraktion dann forciert werden könnte. Möglich wären z.B. behindertengerechte Zugänge zum Kanalsystem im Bereich des dann völlig anders als geplant zu gestaltenden Marienplatzes vor der Kapelle und belüftete Schaukästen aus Spezialglas, da der Grottenmolch ja bekanntlich lichtempfindlich ist", war aus dem Fachbereich Touristik und Wirtschaftsförderung zu vernehmen.
(bisherige Umbaupläne Marienplatz)
Vielleicht bestünden aber auch Umsiedlungsmöglichkeiten in besonders dunkle oder noch speziell abzudeckende Ecken des Freilinger Sees, so dass man dort eine für NRW einzigartige Population aufbauen könnte. Dazu müsse man aber erst prüfen, ob in dem Gewässer dort überhaupt die notwendigen Lebensbedingungen für den Grottenmolch gegeben oder zu realisieren wären und sich eine solche Ansiedlung mit den übrigen, langfristig am Freilinger See geplanten touristischen Entwicklungen in Einklang bringen ließe. Entsprechende Gutachten nähmen aber bekanntlich eine geraume Zeit in Anspruch.
"Die geplanten Sanierungsarbeiten in der Ortsdurchfahrt Freilingen, insbesondere die eigentilch jetzt startende offene Kanalsanierung muss jedenfalls erst einmal zurück gestellt werden, bis Fachleute von der Universität Bonn weiterer Prüfungen durchgeführt und gesicherte Kenntnisse gewonnen haben", so Andreas Bornhold. Die besonderen, artenspezifischen Prüfungen, die mehrere Wochen in Anspruch nehmen würden, sollen voraussichtlich am 1. April starten. "Das Ergebnis dieser Untersuchungen sollte man jetzt erst einmal abwarten, bevor man über die weitere Verfahrensweise, sei es hinsichtlich der bisher geplanten Sanierungsarbeiten als solcher oder aber im Hinblick auf eine bisher nicht eingeplante touristische Nutzung des Freilinger Kanalsystems nachdenkt", so der Fachmann.
Die Ortsvorsteherin zeigte sich hinsichtlich dieser neuesten Entwicklungen völlig überrascht. "Man muss jetzt für alle Ideen und in alle Richtungen offen sein. Da bei dieser Tierart mit einer Lebenserwartung von über 70 Jahren auszugehen ist, manche Forscher behaupten sogar, der Grottenmolch könne ein Alter von 100 Jahren erreichen, muss hier langfristig geplant werden. Da lohnt sich dann auch eine größere Investition, vielleicht sogar in ein besonderes, langlebiges Kanalsystem mit einem gesonderten Zuchtbecken. Hier bedarf es unter Umständen eines völlig neuen Konzeptes bzw. neuer Projektideen."
In jedem Fall sei aber zu berücksichtigen, dass der Grottemolch von der IUCN, der Weltnaturschutzunion, in der Roten Liste in der Kategorie "gefährdet" aufgeführt sei. Diese Art sei in der Europäischen Union von gemeinschaftlichem Interesse, so dass die Mitgliedsstaaten eigens besondere Schutzgebiete ausweisen müssten für diese prioritäre Art.
"Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Freilingen insgesamt zu einem besonderen, einzigartigen Schutzgebiet deklariert wird. Zumindest würde es in einem solchen, überregional sicherlich Aufsehen erregenden Fall dann wohl hoffentlich keine "grottenschlechte" Berichterstattung in der hiesigen Lokalpresse geben," so die Ortsvorsteherin überzeugt.
In erster Linie müssten nun also erste Ergebnisse der Untersuchung und die artenschutzgutachterliche Stellungnahme abgewartet werden. Frühestens am 2. April könne man nähere Angaben zum weiteren Verfahrensstand in Sachen "Neue Ortsdurchfahrt Freilingen" machen.
Na, dann warten wir mal gespannt ab !